Das Jahr 2021 in 10 Alben

Kaum postet man drei Jahr nichts im Blog, schon bricht eine Pandemie aus. Das Jahr 2021 war auf seine eigene Art und Weise herausfordernd und anstrengend. Mein letztes Live-Konzert war Sacred Reich im Dezember 2019. Faith No More haben ihre zweimal verschobene Europa-Tour für 2022 jetzt auch abgesagt. Lichtblicke waren daher für mich Alben und Musik meiner Lieblingskünstler, die mir durch das Jahr geholfen haben. Deshalb in loser und nicht wertender Reihenfolge meine Alben des Jahres. Links setze ich übrigens gerne zu Bandcamp, falls jemand die aufgeführten Künstler durch den Kauf eines Albums unterstützen mag. Bei Bandcamp bleibt dank eines äußerst fairen Beteiligungsmodells am meisten bei den Künstlern hängen.

Cory and the Wongnotes
Cory Wong

Ein Funk-Feuerwerk der guten Laune. Der Mann ist ja sehr fleißig und produziert neue Musik am wie am Fließband. Cory and the Wongnotes bringt Retro-Funk soundtechnisch in die Gegenwart. Die Bässe knarzen, das Schlagzeug shuffelt und Bläser (und Flöten!) hört man auch viel zu selten heutzutage. Melodien und Songstrukturen hält Mr. Wong mit einer äußerst rhythmussicheren rechten Hand auf seiner Strat zusammen. Tatsächlich schafft er es durch geschmackvolles Songwriting und extrem präzises Spiel, dass seine Alben immer kurzweilig und mitreißend klingen.
Anspieltipp: Coming Back Around

The Dark Parade
Mordred

Mordred waren eine der ersten Bands, die Anfang der 90er Jahre Elemente des HipHop (Scratching und funkige Grooves) in den Thrash-Metal brachten und so Crossover definierten. Musik der Jugend altert ja unterschiedlich gut. Das Album „The Dark Parade“ ist allerdings ein wahrer Jungbrunnen. Die Band klingt wie vertraut wie früher aber vom Sound her erfrischend aktuell. Gitarre und Bass drücken und Aaron „DJ Pause“ Vaughn schafft mit seinem Scratching neben Scott Holderbys Gesang den hohen Wiedererkennungswert. Großartiges Comeback mit einem coolen Video zur zweiten Single!
Anspieltipp: Malignancy

System
Shook

Authentische 80er Synth-Sounds mit funkigen Stakkato-Beats schaffen gute Laune. Der Niederländer Jasper Wijnands alias Shook taucht ab in eine Welt aus Bits und Bytes. Sein aktuelles Album ist ein Fest für Synthwave-Fans. Geschmackvolle Arrangements, die Mitarbeit seiner Freundin Juliet und das Artwork sowie die Videos ergeben einen stimmiges Gesamtkunstwerk. Passt für Kraftwerk-Fans zum Nachmittagstee genauso wie zur Aerobic-Stunde.
Anspieltipp: Data

Yacht Soul
Too Slow To Disco

Über ein Radio-Interview zu dem Album entdeckte ich Marcus Lieselfelds (aka DJ Supermarkt) Reihe „Too Slow To Disco“. Von schwarzen R’n’B Studiomusikern gecoverte weiße AOR-Songs klangen sehr vielversprechend. Das ist pure Lebensfreude, die da aus den Boxen perlt. Manche Nummern, die etwas hüftsteif im Original sind, gewinnen hier einen besonderen Swing und glänzen eigenständig. „God only knows“ von den Beach Boys bei Betty Everett zu einer großen Soul-Nummer. Wohlfühlsound!
Anspieltipp: Summer Breeze (unbedingt auch das Original von Seals & Crofts anhören!)

Get Up Sequences Part One
The Go Team

In trüben Zeiten braucht man umso dringender Musik, die gute Laune macht. The Go Team to the rescue! Mit „Get Up Sequences Part One“ komprimieren sie farbenfrohe 70er Authentizität in 10 Songs mit einer halben Stunde Spielzeit. Wer die Band einmal live erlebt hat, weiß, wie ansteckend diese Lebensfreude ist. Gastmusiker unterstützen einige Songs, weil Sängerin Ninja während der Aufnahmen ihr erstes Baby bekam. Nicht viele Bands schaffen es, den Spannungsbogen über so viele Jahre aufrecht zu erhalten. Aber auf Ian Parton ist Verlass! Hilft beim Aufstehen morgens oder wann immer man etwas Motivation braucht (also im Winter oder in Pandemie-Zeiten ständig).
Anspieltipp: World Remember Me Now

Songs For The Apocalypse
Jason Bieler & The Baron von Bielski Orchestra

Ex-Saigon Kick Gitarrist Jason Bieler veröffentlicht sonst neue Songs einzeln über Bandcamp. Für dieses Album hat er sich viele illustre Gastmusiker geholt: Pat Badger – Extreme, David Ellefson – Ex Megadeth, Devin Townsend, Bumblefoot und Jeff Scott Soto. Herausgekommen ist ein vielschichtiger und verspielt schräger Mix, der überall mit den Jason Bieler Trademark-Ohrwurm-Melodien und mehrstimmigem Gesang aufwartet. Kein Album für jeden Tag, aber definitiv ein Tipp für alle, die auf zuweilen komplexe Musik stehen.
Anspieltipp: Bring Out Your Dead

Medicine At Midnight
Foo Fighters

Dave Grohl ist zu einer Institution des zeitgenössischen Rock geworden. Ob er mit Thron auf der Bühne eine Tour absolviert weil er sich ein Bein gebrochen hat oder mit einer äußerst ambitionierten 11-Jährigen über das Internet Schlagzeug-Battles liefert, er ist der Keanu Reeves des Rock’n’Roll. Denn er bleibt immer bodenständig und nett und nimmt sich selbst nicht so ernst (siehe das Disco-Projekt Dee Gees). Dabei vergisst man fast, dass er immer wieder großartige Rock-Hymnen schreibt. Der Prototyp eines genialen Rock-Songs wird für mich immer „Pretender“ bleiben. Und so liefert auch „Medicine at Midnight“ erwartungsgemäß ab. Etwas funkiger aber mit rauchig-crunchenden Gitarren ein schönes Album für alle, die Gitarren mögen.
Anspieltipp: Shame Shame

The Night They Came Home
Mr. Bungle

Neben Faith No More hatte Mike Patton in den 90ern immer noch seine alte Band Mr. Bungle. Deren Musik klingt gerne, als wenn man mit dem Rasenmäher quer durch einen Plattenladen gefahren wäre. Einmal hatten sie allerdings ein ziemlich hartes Album „The Raging Wrath of Easter Bunny“, das allerings nur als Demo aus den 80ern existierte und nie offiziell erhältlich war. In neuer Besetzung mit Scott Ian an der zweiten Gitarre und Dave Lombardo am Schlagzeug ist 2020 ein ziemlicher Knüppel draus geworden. „The Night They Came Home“ ist die Live-Version des Albums. Die Musik ist hart, manchmal seltsam aber doch sehr straight. Oder um es mit Trey Spruance zu sagen: „We’ve made the best thrash album of 1986 that nobody ever heard!“. Nicht zu vergessen die obligaten Cover-Songs, die niemand von Mr. Bungle erwartet 🙂
Anspieltipp: Bungle Grind oder Sudden Death (such euch was raus)

Hidden Stories
Hooverphonic

2020 war ein großes Jahr für langjährige Hooverphonic-Fans, denn Sängerin Geike Arnaert ist zurückgekehrt. Noch schöner: Mit „Hidden Stories“ ist 2021 auch ein neues Album erschienen, dass alles liefert, wofür man Hooverphonic schätzt. Ihre Musik klingt immer ein bisschen wie 60er Bond Soundtrack, der geschmackvoll modernisiert wurde und dabei schöne Beats verpasst bekommen hat. Große, geschmackvolle Arrangements mit tollen Melodien. Das passt im trüben Herbst/Winter genauso wie im Frühjahr oder Sommer.
Anspieltipp: A Simple Glitch Of The Heart

Und zum Schluss noch ein paar Singles, die ich auch mit dem Jahr 2021 verbinde:

The Kings of Quarantine sind Musiker, die Cover-Songs verkaufen, um ihre Roadies mit dem Erlös zu unterstützen. Dieses Jahr haben sie „She watch channel zero“ und „Just another victim“ (vom Judgement Night Soundtrack) veröffentlicht.

Um den schottischen Briefträger Nathan Evans mit „Wellerman“ ist man dieses Jahr ja nicht herumgekommen. Sieht man allerdings von der Tatsache ab, dass die meisten ihn nicht mehr hören können, weil Radiosender ihn totgenudelt haben, verfügt der Song glücklicherweise über eine zeitlos robuste Songbasis und tolle Harmonien. Wer die Weltmeere und Stürme übersteht, den kann auch das Formatradio nicht kaputtmachen.

Zuguterletzt noch 2 bislang unveröffentlichte Extra-Tracks von The Intersphere aus der „Relations in the unseen“ Studiosession. Über dieses Album hatte ich die Band ja kennen- und lieben gelernt. Stilistisch würden „Vagabonds“ und „Doublespeak“ auch großartige Sommerhits für anspruchsvolle Musikliebhaber abgeben. Sie klingen gut gelaunt optimistisch und passen damit auch sehr gut in ein trübes Winterhalbjahr.